„Da fühle ich mich pudelwohl“
Helge Brandes lacht gerne. Das haben wir sehr schnell festgestellt, nachdem er zur Tür hereingekommen war. Hochgewachsen ist er außerdem. Was uns aber zuallererst ins Auge stach, war das Sweat-Shirt, das er trug: KISS. Der Name der Hardrock-Band auf seiner Brust war nicht zu übersehen. Alles zusammen machte uns sofort klar: Wir haben hier einen Interview-Partner bekommen, den wir sicherlich mögen.
In der Lothar-Wittko-Werkstatt der PLSW in Stadthagen ist Helge Brandes wohlbekannt – schließlich gehört er seit 2008 zur Hauswirtschaftsgruppe und ist im Reinigungsteam. So kommt er durch alle Gänge und Flure, kommt in viele Räume und trifft bei der Arbeit mehr Menschen als die meisten anderen.
„Wir haben immer und überall Arbeit. Uns kann nie langweilig werden.“
„Wir haben ja immer überall Arbeit. Uns kann nie langweilig werden und da fühle ich mich pudelwohl“, sagt er. Mit seinen Kollegen versteht er sich prima und von seiner Gruppenleiterin sagt er, sie sei „voll nett“ – obwohl sie ihn manchmal schon ermahnen würde, nicht ganz so lange Pausen zu machen. Die Ermahnung ist aber freundlich und zu anderen Zeiten leisten sie sich gemeinsam mit ihr auch schon mal ein Eis vom Kiosk.
So gut gefällt es Helge Brandes dort, dass er gerne bis zu seiner Rente in diesem Team bleiben möchte.
Mehrere Ereignisse sind es, auf die er sich in diesem Jahr freut. Das eine davon ist die Auszeichnung, die er bekommen wird, wenn er sein 35. Arbeitsjahr bei der PLSW vollendet hat. 19 Jahre war er alt, als er zur PLSW kam – die damals noch PGB hieß.
Seit seiner Geburt hat Helge Brandes einen Herzklappenfehler. Außerdem fällt ihm das Schreiben schwer, wodurch er in vielen Bereichen eingeschränkt ist. Er schaffte aber seinen Sonderschul-Abschluss und stand dann vor der Frage: „Was mache ich jetzt?“
Unabhängig sein – und ein Auffangnetz haben
Seine Familie, sagt er, habe ihn immer unterstützt, immer gemeinsam mit ihm überlegt, wie er sein weiteres Leben gestalten kann. Das hat ihm oft geholfen. Unabhängigkeit wünschte er sich aber trotzdem – wenn sie auch mit einer gewissen Sicherheit verbunden sein sollte und einem Ansprechpartner für alle Fälle, in denen er allein nicht weiterwissen würde.
Solch eine Konstellation, meinten er und seine Familie, könne eine Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigungen ihm bieten, nachdem sein ursprünglicher Plan, eine Ausbildung in einem Handwerksberuf zu machen, sich wegen seines Schulabschlusses zerschlagen hatte. So kam er mit der PGB in Berührung.
1985 zog Helge Brandes in ein Wohnheim des Unternehmens in Bückeburg und begann mit seiner Arbeit in der Werkstatt in Stadthagen. Noch mehr Selbständigkeit traute er sich einige Jahre später zu und wechselte in eine Außen-Wohngruppe in Obernkirchen. Dort begegnete er einer Frau, ein Jahr später zogen die beiden in eine gemeinsame Wohnung in Rinteln. 17 Jahre hielt diese Zweisamkeit, dann trennten sie sich. „Wir haben uns einfach nicht mehr gut verstanden“, sagt Helge Brandes. Der Alltag habe sie zu sehr eingeholt. Seitdem hat er eine kleine Wohnung in Stadthagen für sich allein, die er nur mit seinen beiden Kaninchen bewohnt.
Fußball-Fan – um es genau zu nehmen BVB-Fan – ist Helge Brandes schon lange. Seine zweite Leidenschaft gehört aber der Musik – und live genießt er sie am meisten. KISS steht auf seinem Sweat-Shirt. Andere Bands dürfen es aber auch gerne sein - wenn sie denn aus dem Hard Rock- oder Heavy Metal-Spektrum kommen. Etliche-Konzerte hat er schon besucht. Und ist auch zweimal „auf Wacken“ gewesen. Das, sagt er mit breitem Grinsen, will er in diesem Jahr noch einmal erleben. Ende Juli geht es mit Freunden los zum Campen „mit allem Drum und Dran“ auf der Festival-Wiese von Wacken.
Das Interview mit Helge Brandes haben Silvana Meyer und Nina Maar geführt.