Von der Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt

Mitarbeiter aus den Werkstätten der Paritätischen Lebenshilfe in den ersten Arbeitsmarkt bringen – das ist ein gesetztes Ziel. Ein Ziel allerdings, das von vielen Seiten konsequent verfolgt werden muss, bei dem Fähigkeiten und der Wille der Mitarbeiter vorhanden sein müssen und bei dem auch ein Quäntchen Glück sicherlich eine Rolle spielt. Das alles ist bei Lutz Außem zusammengekommen. Am zweiten Tag seines festen Arbeitsverhältnisses bei dem Hamelner Unternehmen „Siegfried Hameln GmbH“ sprüht die Freude darüber nur so aus seinen Augen.

„Ich bin der Allrounder“, sagt Lutz Außem. Mit guter Anleitung und Kontrolle überall in der Abteilung des Hamelner Unternehmens einsetzbar, in der er seit nahezu zwei Jahren arbeitet. Das bestätigt auch Stefan Laschet, der diese Abteilung leitet. An vielen Maschinen komme der junge Mann zum Einsatz und könne auch immer einmal wieder gut mit Sonderaufgaben
betraut werden. In dieser Abteilung werden flüssige Arzneimittel abgefüllt – eine verantwortungsvolle Arbeit, die ein hohes Maß an Sorgfalt und Umsicht voraussetzt. Für rund 140 Mitarbeiter ist Stefan Laschet in der Abteilung der Chef – und einer dieser vielen Mitarbeiter mit einem Vertrag, mit Rechten und Pflichten wie alle anderen auch, ist nun Lutz Außem.


Arbeitsvertrag wie alle anderen auch

Bis zum September 2016 hat er in der Werkstatt in Afferde gearbeitet. Lernen fällt ihm schwerer als vielen anderen Menschen, weswegen er eine Förderschule besuchte. Die Werkstatt war für ihn zunächst eine gute Lösung. Auf Dauer, erzählt er, sei ihm aber zu eintönig geworden. Viel hatte er dort gelernt, nun genügten die Aufgaben in der Werkstatt nicht mehr. „Ich will unbedingt etwas Neues machen“, sagte er nicht nur sich, sondern auch seiner Gruppenleiterin. Zu dieser Zeit war Colette Harloff schon auf ihn aufmerksam geworden. Colette Harloff leitet bei der PLSW in Hameln das Betriebliche Integrations-Management. Eine ihrer Aufgaben ist es, einen Blick dafür zu haben, welche Mitarbeiter aus den Werkstätten in Unternehmen vermittelt werden können.

Gute Voraussetzungen schien Lutz Außem dafür zu haben, so dass sie ihm zuerst ein Praktikum bei „Siegfried“ vermittelte. An das schloss sich ebenso schnell ein sogenannter „ausgelagerter Arbeitsplatz“ an. Lutz Außem hatte sich gut eingefügt in dem Unternehmen und hatte seine Vorgesetzten davon überzeugt, dass er arbeiten will und dass er es auch kann. Die Firma Siegfried vermittelte daraufhin einen Arbeitsplatz, der eigens auf die Bedürfnisse von Lutz Außem abgestimmt war, mit kontinuierlicher Anleitung und unter ständiger Kontrolle.

Arbeitete er zunächst in der Verpackungs-Abteilung, so folgte gar nicht mal lange danach der Wechsel in die Abfüllung. „In der Verpackung haben wir Kittel getragen“, sagt Lutz Außem, „hier tragen wir jetzt eine Art Pyjama.“ Der „Pyjama“ gehört zur Schutzkleidung am Arbeitsplatz. Verunreinigungen der Arzneimittel darf es nicht geben, die Standards sind hoch und die Mitarbeiter müssen penibel alle Vorschriften beachten.

In der Steril-Fertigung, wo er nun den Pyjama trägt, wurde Stefan Laschet sein Chef – und auch sein Mentor. „Herr Außem sucht die Arbeit und ist fleißig“, sagt der Diplom-Ingenieur, „und er hat eine positive Ausstrahlung. Das tut dem Team gut.“ Manche Dinge müssten ihm zwar dreimal erklärt werden. Danach könne er sich aber voll und ganz darauf verlassen, dass jede neue Aufgabe gewissenhaft von ihm erledigt werde.


Seine positive Ausstrahlung tut dem Team gut

Natürlich ist nicht alles reibungslos vonstatten gegangen. Anfangs habe es schon Vorbehalte im Team gegeben, sagt Stefan Laschet. Einiges an Überzeugungsarbeit war nötig, bis der junge Mann wirklich von allen akzeptiert wurde. Das ist nun gut gelungen. „Weil Herr Laschet an Herrn Außem glaubt“, sagt Colette Harloff.

Sie und auch Reiner Voß vom Betrieblichen Integrations-Management begleiteten und unterstützten Lutz Außem während des gesamten Übergangsprozesses. Beide hatten während der ganzen Zeit immer ein Auge auf ihn und seine Arbeit dort und standen auch Stefan Laschet als Gesprächspartner zur Verfügung. Da sich alles so gut entwickelte, sagt sie, machte sie Laschet vor eineinhalb Jahren den Vorschlag, Lutz Außem in ein reguläres Arbeitsverhältnis in dem Unternehmen zu übernehmen.

Alle Beteiligten wurden von ihr über das Förderprogramm „Budget für Arbeit“ informiert und beraten. Diese Leistung, die aus Mitteln der Eingliederungshilfe finanziert wird, umfasst einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent, höchstens jedoch 1.246 Euro pro Monat für Arbeitgeber zum Ausgleich der Minderleistung der beschäftigten Person.

Stefan Laschet war schnell überzeugt – dann mussten aber auch noch Geschäftsführung und Personalabteilung des Unternehmens mitspielen. Etliche Vorbehalte galt es auszuräumen, aber im November 2018 stand die Entscheidung schließlich fest: Lutz Außem sollte einen Vertrag beim Unternehmen Siegfried bekommen. Für zwei Jahre ist das „Budget für Arbeit“ bei ihm zunächst bewilligt worden, gegen Ende der Zeit kann es neu beantragt werden und das ist das Ziel von allen Beteiligten.


„Budget für Arbeit“ alsweiterentwickeltes Konzept

Einige Unterschiede gibt es zwar zu den Verträgen der übrigen Mitarbeiter. Wegen seines Förderbedarfs arbeitet Außem etwa nicht im Schichtsystem. Und wenn er auch an allen Maschinen eingesetzt werden kann und überall gewissenhaft arbeitet, so hat er doch stets einen erfahrenen Mitarbeiter an seiner Seite. Das sind aber nur Kleinigkeiten angesichts dessen, was Außem, Laschet und Harloff gemeinsam erreicht haben. Eine Win-Win-Situation für alle sei es nun, sagt Harloff. Worauf sich Lutz Außem besonders freut, ist das erste Gehalt, das er vom Unternehmen bekommt. Bislang sind ihm bei einer 35-Stunden-Woche rund 400 Euro zum Ende des Monats geblieben. Nun, sagt er strahlend, könne er sich viel leichter einfach mal was gönnen. Ein großer Plan für ihn ist es, eine Wohnung für sich allein zu beziehen. Mit der Wohnungssuche ist er schon beschäftigt.

Nur den Traum vom Reisen hebt er sich für später auf. Zunächst müsse schließlich die Wohnung eingerichtet werden. Einige Kollegen hätten ihm aber schon Möbel angeboten und wollten auch beim Einrichten helfen. „Weg von Vater Staat“ zu sein, das sei ihm neben der tollen Chance, ein reguläres Arbeitsverhältnis zu bekommen, eine riesige Erleichterung gewesen, sagt er.

Den neuen Mut, auch andere Dinge anzupacken, den habe er dadurch bekommen, sagt Colette Harloff, freut sich mit ihm und freut sich auch über die gelungene Initiative. Lutz Außem ist der fünfte Werkstatt-Mitarbeiter, bei dem es gelungen ist, ihn über das „Budget für Arbeit“ in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Und er wird gewiss nicht der Letzte sein. Einige weitere Anträge laufen bereits, bei denen die Aufgabe für Harloff wieder darin besteht, alle Beteiligten ins Boot zu holen und alle von dem guten Konzept zu überzeugen.

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